Das Verborgene Hasenmuseum

ein interdisziplinäres Kunstprojekt
von Johanna Schmitt

Projektbeschreibung

Der Feldhase, der von prähistorischen Zeiten an Begleiter des Menschen war, gehört heute zu den vom Aussterben bedrohten Tieren und wird, wenn weiter nichts zu seinem Schutz geschieht, bald ausgerottet sein.

Die Mehrzahl der Wissenschaftler und Naturschützer geht davon aus, dass hauptsächlich die industrialisierte Landwirtschaft für das Verschwinden des Hasen verantwortlich ist. Seine Lebensgrundlagen werden eher unspektakulär durch die alltägliche Praxis der Landwirtschaft zerstört, nicht etwa durch einmalige Ereignisse oder Aktionen, z.B. Seuchen oder Autoverkehr.

Der Feldhase wird aus der Nähe des Menschen vertrieben, ohne dass es zunächst auffällt. Die moderne Landwirtschaft hat in weniger als zehn Jahren den Feldhasen der Ausrottung nahe gebracht, nachdem er seit Jahrtausenden als sogenannter Kulturfolger in der Nähe des Menschen gelebt hat. Ursprünglich in der Steppe beheimatet, ist er dem Menschen gefolgt, als dieser die Wälder rodete. Wiesen und Äcker bilden seitdem seinen bevorzugten Lebensraum - im Gebiet zwischen den Steppen Asiens und dem Atlantik. Dieser Ursprung erklärt auch die Vorliebe des Hasen für anspruchslose, aber widerstandsfähige Gräser und Krauter, wie sie in der Steppe oder bislang auch auf den natürlich belassenen Wiesen Europas wuchsen.

Abgesehen davon ist der Hase auf die oberirdischen Pflanzenteile angewiesen, da er nicht wie sein Artgenosse, das Kaninchen, Wurzeln oder ähnliches ausgräbt, und so ist sein Organismus insgesamt auf stickstoffarme Kost angepasst. Daher werden die fetten, stickstoffgedüngten Hochleistungsweiden, wie sie in der modernen Agrarwirtschaft dem Hasen zum Verhängnis. Sein Organismus kann nur 20 % von diesem Gras verdauen, die Mahd von ungedüngten Wiesen, mit ca. 45 verschiedenen Krautern dagegen verwertet er zu 70 %. Der Hase muss also auf diesen fetten Wiesen, von denen seine Lieblingskräuter, wie z.B. Wilde Möhre, Klee, Rispengras u.a. als Unkraut verbannt sind, verhungern.

Ebenso verheerend in ihrer Auswirkung ist die in der Landwirtschaft beliebte Praxis der Flurbereinigung für die Lebensgrundlage des Hasen: Durch sie werden "überflüssige" Hecken, Baumgruppen, verwilderte Feldränder u.a. beseitigt, weil diese den Maschinen im Weg sind. Der Hase jedoch findet in der ausgeräumten Landschaft keine Schutzräume mehr, keine Versteckmöglichkeit oder Schlupfwinkel zum Ausruhen. Vor allem für die Jungtiere ist dies von verheerender Wirkung; diese finden nicht mehr die notwendige Schutzmöglichkeiten vor Raubvögeln und Füchsen. Den Rest besorgen der vermehrte Einsatz von großen Erntemaschinen und der zunehmende Autoverkehr auf einem immer dichter werdenden Straßennetz.

Wilde  Möhre in der Dämmerung..

Im "Verborgenen Hasenmuseum" fühlt sich der Feldhase wohl
Von weitem sieht es so aus wie eine Wiese. Von nahem auch. Doch Johanna Schmitt geht in die Knie, schaut sich die Wiese ganz genau an. "Schafgarbe, Löwenzahn, wilde Mohre", zählt sie auf, zerreibt dabei ein Kraut zwischen den Fingern und riecht daran. Was wie eine Wiese aussieht, ist ihr "Verborgenes Hasenmuseum". "Abends in der Dämmerung bin ich oft hier", sagt Schmitt, "dann sehe ich auch häufig Hasen."

Artikel aus der Saarbrücker Zeitung vom April 2002

Für den Feldhasen ist also weder genügend Nahrung noch genügend Raum zum Überleben vorhanden. So wird ein Tier ausgerottet, das in der Frühzeit des Menschen als Gottheit verehrt wurde, bei den Chinesen noch heute in der Mythologie lebendig ist und im deutschen Volksbrauchtum als Osterhase von Kind auf jedem vertraut ist. Auch in derLiteratur und Kunst hat der Hase einen festen Platz. Man denke an den populären Hasen von Albrecht Dürer und die mythische Bedeutung, die der Hase für Beuys und seine Arbeiten hatte.

Die Zeiten jedoch, in denen ein Tier wegen seiner dem Menschen überlegenen Fähigkeiten verehrt und geachtet wurde oder Gegenstand mythischer Vorstellungen bildete, sind vorbei. In der heutigen Gesellschaft wird alles auf einen einzigen Wert reduziert, nämlich Profit oder Rentabilität. Tiere spielen in diesem Weltbild nur insofern eine Rolle, als man mit ihnen unmittelbar Profit machen kann. Mythen sind in unserer Gesellschaft überflüssig. Dass der Mensch dabei geistig immer mehr verarmt, will niemand eingestehen.

So ist also bei mir die Idee entstanden, eine Wiese in ihrer ursprünglichen Pflanzenvielfalt, insbesondere mit den Lieblingskräutern des Feldhasen, an einem relativ ruhig gelegenen Ort, als VERBORGENES HASENMUSEUM anzulegen, um den Menschen bewusst zu machen, dass der Feldhase, der seit der Frühzeit des Menschen ein geachteter Mitbewohner seines Lebensraumes war, jetzt daraus vertrieben wird aus Ignoranz und übertriebenem Rentabilitätsstreben. Darüber hinaus möchte ich an die Menschen appellieren, das Werk der Zerstörung noch aufzuhalten.

webstueck 2006